1970: ALPINA gewinnt den Tourenwagen-Europapokal

Günther Huber im Interview

1970 – eine legendäre Saison in der ALPINA Rennsporthistorie. Vor 50 Jahren sicherte sich das ALPINA Rennteam erstmals den Gesamtsieg in der Tourenwagen-Europameisterschaft. Maßgeblich beteiligt und heute im Interview: Der österreichische Rennfahrer Günther Huber, der am Steuer des BMW ALPINA 2800 CS auf den Strecken in ganz Europa mit dem ALPINA Rennteam zahlreiche Punkte für BMW einsammelte.

Herr Huber, wie kam es dazu, dass Sie im Jahr 1967 in den ALPINA Rennstall gewechselt sind?

Im Sommer 1967 hat mich ein Brief von Burkard Bovensiepen erreicht. ALPINA habe die Absicht, am Marathon de la Route teilzunehmen, dem 84-Stunden-Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings. „Bitte, teilen Sie uns mit, ob Sie daran interessiert sind.“, hieß es darin schlicht.

Der ALPINA Chef wusste natürlich sehr genau, dass ich in der Formel V schon einige Erfahrung auf dem Nürburgring sammeln konnte. Rund 150 Trainingsrunden hatte ich bereits auf der Nordschleife absolviert, konnte auf dem Kurs 1966 meinen ersten Sieg einfahren und auch beim Formel V Europapokal 1967 war ich sehr erfolgreich auf dieser Strecke. Hinzu kommt, dass mich Burkard Bovensiepen auch als Techniker kannte, als KFZ-Mechanikermeister und Ingenieur für Kraftfahrzeugbau. Dieser technische Background war zu dieser Zeit sehr gefragt und konnte für einen Rennfahrer sehr hilfreich sein – das hat sich sowohl in der Formel V als auch beim Tourenwagensport mehrfach bestätigt.

Das waren wohl die beiden Gründe, die den ALPINA Chef damals dazu bewogen haben, bei mir anzufragen: Ich war gut trainiert und hatte den nötigen technischen Sachverstand. Im September 1967 ging ich dann erstmals mit ALPINA mit dem 2002 ti an den Start, beim Eifel-Pokal auf der Südschleife.

Wie kann man sich den Rennalltag in den 1960/70er Jahren vorstellen?

Das waren ganz andere Zeiten. Da ging es nicht um das große Geld. Als Rennfahrer war man froh, wenn man ein Fahrzeug gestellt bekommen hat und das Rennen bestreiten konnte. Die Chance auf einen Sieg war unsere Motivation.

Vor einem Rennen habe ich in der Regel ein Telegramm erhalten mit genauen Anweisungen, wann ich wo zu erscheinen habe. Luxuriöse Fahrerlager, wie man sie heute kennt, gab es nicht. Dafür klare Hierarchien: Herr Bovensiepen war der Chef und bestimmte, wo es langgeht. Über Jahre sind wir beim „Sie“ geblieben – damals nichts Ungewöhnliches. Unser Verhältnis war immer geprägt von gegenseitiger Achtung.

Vor jedem Rennen hatten wir einen Trainingslauf mit anschließendem Briefing. Ausgiebige Test-Sessions auf den Rennstrecken, wie man sie von heute kennt, hat man sich damals nicht geleistet. Daher hat Herr Bovensiepen auch nach erfahrenen Rennfahrern gesucht. Er war im Übrigen sehr geschickt darin, die Talente aus der Formel V für seinen Rennstall zu gewinnen. Ob Marko oder Lauda – die schnellsten Österreicher der Formel V sind alle für ihn gefahren. Und das trotz des kleinen Budgets! Das kann man nicht mit heute vergleichen. Heute werden Fahrer verpflichtet, egal was sie kosten. Damals war eher das technische Level ausschlaggebend und nachdem wir die Professionalisierung in der Formel V schon vorangetrieben haben, war dies für Bovensiepen die ideale Talentschmiede. ALPINA stellte uns technisch einwandfreie Fahrzeuge zur Verfügung. Wir hatten hundertprozentiges Vertrauen in das technische Gerät. Und so konnten wir dann auch einige Siege mit ALPINA einfahren – auch ohne großes Budget und ohne viele Trainingsmöglichkeiten.

Während Ihrer Zeit bei ALPINA haben Sie sowohl mit dem 2002 ti als auch mit dem 2800 CS Siege eingefahren. Aus Sicht eines Rennfahrers: Was macht für Sie die Faszination dieser Modelle aus?

Angefangen habe ich mit dem 2002 – ein kleines, leichtes Fahrzeug, das man wunderbar sportlich quer um die Ecken fahren konnte und das mich sehr an die Rennfahrzeuge aus der Formel V erinnert hat. Da waren wir viel auf der Hinterachse unterwegs.

Das 2800 Coupé war da eine ganz andere Klasse. Wesentlich schwerer, ein Fahrzeug, das man sehr neutral bewegen konnte. Wundervoll zu fahren! In Fachkreisen wurde sehr über das „Schwergewicht“ auf der Rennstrecke geschmunzelt – Kritik, die Burkard Bovensiepen nur allzu gerne mit Humor aufgriff. Anlässlich unseres Siegs beim 300-km-Rennen auf dem Nürburgring im Jahr 1970 titelte er in einem Inserat „Meister im Schwergewicht“. Darin hieß es: „Was das Gewicht angeht, so sind wir ja mit Abstand die Größten.“ und resümiert schließlich „Trotz seines hohen Gewichts ist dieses Auto für Trainingsbestzeiten und Gesamtsiege gut.“ Das 2800 Coupé war wirklich ein Phänomen: Eine echte Offenbarung bei der Leistung und dem, was man mit dem Fahrzeug machen konnte. Vor allem am Nürburgring!

Ihr legendärster Coup mit dem BMW ALPINA 2800 CS gelang Ihnen allerdings in Spa-Francorchamps, gemeinsam mit Ihrem Teamkollegen Helmut Kelleners…

Ja, das 24-Stunden-Rennen in Spa 1970. Für mich persönlich der schönste Sieg in meiner Zeit bei ALPINA. Das waren noch Zeiten: Zwei Fahrer für 24 Stunden! Zu zweit haben wir rund 4.000 km an einem Tag bewältigt. Ein dritter Fahrer stand nicht einmal in Reserve bereit. Damit war auch klar: 24 Stunden Dienstverpflichtung – und zwar nahezu ohne Schlaf und ungeachtet des ein oder anderen Muskelkrampfes. Aber Kelleners und ich waren ein eingespieltes Team. Wir konnten uns hundertprozentig aufeinander verlassen.

Zwei Wochen vor diesem Rennen ist mir beim 6-Stunden-Rennen am Nürburgring noch eine Felge gebrochen und ich bin in die Botanik geflogen. Kelleners und mir war klar: Wir müssen materialschonend fahren. Die Reifen und auch das Differential überhitzten beim 2800 CS gerne. In 24 Stunden kann unendlich viel passieren. Das oberste Ziel war immer das Auto ins Ziel zu bringen und das mit einer möglichst guten Platzierung. Wir konnten dem Coupé also nicht alles abverlangen, aber 99 Prozent waren in jedem Fall schnell und spaßig genug.

In der Nacht ist dann noch ein Problem in der Elektrik aufgetreten. Ein Schockmoment, der eigentlich das Aus für unser Rennteam bedeutet hätte. In der Senke von Eau Rouge fiel plötzlich der komplette Strom im Auto aus. Hier hat sich dann aber mein technischer Background bezahlt gemacht: Noch bevor das Auto zum Stillstand kam, habe ich geistesgegenwärtig nach rechts zu einem Sicherheitsschalter für den Stromkreislauf gegriffen und erfühlt, dass der Schalter herausgesprungen ist. Also habe ich den Schalter während der Fahrt nach unten gedrückt – knapp 7 Kilometer lang, bis ich es in die Box geschafft habe und die Mechaniker den Fehler beheben konnten. Wir lieferten uns über 24 Stunden einen spannenden Kampf mit Alfa Romeo und Mazda und wurden mit knapp vier Minuten Gesamtsieger. Ein unvergleichliches Gefühl, dass mir auch heute noch, 50 Jahre später, Gänsehaut bereitet.


Über Günther Huber

Günther Huber wurde 1942 in St. Pölten geboren und kam früh mit dem Motorsport in Berührung. Als 8-Jähriger bestritt er in seinem Heimatort sein erstes Rennen in einer „Miniatur-Rennmaschine“, die sein Vater für ihn baute. Es folgten eine Ausbildung zum KFZ-Mechanikermeister und das Ingenieursstudium für Kraftfahrzeugbau. Ab 1966 feierte Huber zahlreiche Erfolge in der Formel V, bevor er sich ab 1967 auf den Tourenwagensport konzentrierte und für das Team von Burkard Bovensiepen im BMW ALPINA 2002 ti und 2800 CS zahlreiche Siege einfuhr. 1971 beendete Huber seine Motorsportkarriere, ist aber bis heute dem Rennsport verbunden. Als Ehrenmitglied der Historischen Formel Vau Europa e.V. und Teamchef von Huber Racing ist er gemeinsam mit seinen Söhnen auch heute noch in den Fahrerlagern der Formel Vau präsent.