Die Tourenwagen Europameisterschaft 1973

Angestoßen von ALPINA Chef Burkard Bovensiepen homologiert BMW den 3.0 CSL, eine Leichtbauversion des 3.0 CSi, um dem Ford Capri Paroli zu bieten. Auch ALPINA setzt einen 3.0 CSL ein, baut ein weiteres Fahrzeug für den britischen Importeur auf und bereitet es während der Saison auf die Rennen vor.

Das ultimative Kräftemessen zwischen Ford und BMW beginnt am 25. März 1973 im italienischen Monza. Zum Start rollt das ALPINA Coupé mangels Sponsoren in Schneeweiß – die Fahrer aber sind auf Weltklasse Niveau: Für ALPINA greifen Niki Lauda und Brian Muir ins Lenkrad. Für Lauda bereits die dritte und gleichzeitig letzte Saison hinter dem Steuer der schnellen Tourenwagen aus dem Allgäu. Für das BMW Werksteam sind die Fahrerpaarungen Hans Joachim Stuck / Chris Amon und Toine Hezemans / Dieter Quester am Start. Die Ford Werksmannschaft um Michael Kranefuss schickt Jackie Stewart / John Fitzpatrick und Jochen Maas / Jodie Scheckter ins Rennen. 

Jackie Stewart gelingt es auch prompt den Capri im Qualifying auf den ersten Startplatz zu stellen. Doch wie schon in den letzten beiden erfolgreichen Jahren vertraut Burkard Bovensiepen auf die Zuverlässigkeit und Dauerhaltbarkeit im 4 Stunden andauernden Rennen. Entgegen dem Werksteam setzt Prof. Dr. Fritz Indra auf den 3,0 Liter Motor, statt dem 3,3 Liter Motor, welchen die Motorsport GmbH um Jochen Neerpasch und Martin Braungart verwendet. Genau dieser Schachzug entpuppt sich im anschließenden Rennen als die richtige Entscheidung: Stuck scheidet mit einer kaputten Zylinderkopfdichtung aus und auch der zweite Werks-BMW von Toine Hezemans steht oft an der Box, muss schlussendlich auch aufgeben. Auch der Schnitzer BMW von Vittorio Brambilla, der im freien Training noch die schnellste Zeit fuhr, war nicht standfest genug. Übrig blieben also die beiden Capris und der BMW ALPINA. Nach einem missglückten Boxenstopp des Ford Teams, einem gerissenen Keilriemen am Auto von Maas und einem Motorschaden am Auto von Stewart war die Zeit des zuverlässigen ALPINA CSLs gekommen. Gleich im ersten Rennen gelingt dem ALPINA Team ein Überraschungscoup: Sieg in Monza! 

Nach starken Schneefällen im April muss der zweite Lauf am Salzburgring auf Ende Mai verschoben werden. Nach dem fulminanten Sieg in Monza meldet sich Eckhard Schimpf bei der Bovensiepen KG in Buchloe: Schimpf, dessen Großvater Gründer der Firma Mast-Jägermeister war, fädelte einen Sponsorendeal für den Rest der Saison ein. Ergebnis: Die ALPINA Coupés waren ab sofort Orange und trugen das bekannte Logo der Likörmarke Jägermeister. 

 

 

Mangels Verfügbarkeit von Lauda, der an diesem Wochenende in seinem BRM Formel 1 beim Großen Preis von Belgien Fünfter wird, geht BMW Werksfahrer Toine Hezemans zusammen mit Brian Muir für ALPINA an den Start. BMW Motorsport hatte Probleme, ihre Fahrzeuge für die Formel 2, die Rally Akropolis und die Deutsche Rennsport Meisterschaft gleichzeitig vorzubereiten und geht deswegen nur mit einem Werkswagen an den Start – pilotiert von Hans Joachim Stuck und Dieter Quester. Im Rennen allerdings waren die BMWs vom Pech verfolgt: ein verbogenes Ventil zwang den Werks CSL zur Aufgabe, Toine Hezemans, der lange führte, krachte in die Leitplanken nachdem er einen Crash mit einem wesentlich schwächer motorisierten 2002 zu verhindern versuchte. Mit sechs Runden Rückstand kam Hezemans als zweitplatzierter ins Ziel – nach der Fahrerpaarung Dieter Glemser / John Fitzpatrick im Capri.

Beim Rennen in Mantorp Park in Schweden setzte BMW Motorsport kein Fahrzeug ein und verließ sich auf ALPINA und Schnitzer. Auch Ford schickte aufgrund des vollen Terminkalenders nur ein Fahrzeug ins ferne Schweden. Im Rennen selbst hatten Hezemans und Muir, die abermals für ALPINA an den Start gingen, Probleme mit der Bremsflüssigkeit, schafften aber einen soliden zweiten Platz hinter dem Werks-Capri aus Köln, pilotiert von Dieter Glemser und Jochen Maas.

Das Highlight der Saison stieg am 08. Juli 1973 am Nürburgring. Das Heimrennen der Werksteams, das Starterfeld voller aktueller Formel 1 Fahrer wie Emerson Fittipaldi, Jackie Stewart und Niki Lauda. BMW konnte für das Rennen in der Eifel den 3,5 Liter Motor und ein neues Aerodynamikpaket mit einem ausladenden Heckspoiler homologieren – was damals einer Sensation glich. Lauda, der sich anfangs noch über die schwere Boxenfunktechnik im ALPINA CSL lustig machte, glückte eine Fabelzeit und ein neuer Rundenrekord im ALPINA Coupé: Die Uhren stoppten eine sagenhafte Zeit von 8:17,3 Minuten. Fast 80.000 Zuschauer sahen ein packendes Rennen mit spannenden Zweikämpfen, das lange vom ALPINA Coupé angeführt wurde. Leider zwang ein defektes Radlager das ALPINA Team kurz vor Schluss zu einem längeren Boxenstopp. Letztendlich aber triumphiert BMW am Nürburgring auf ganzer Linie: Platz 1 und 2 gehen in die Preußenstraße – der 3. nach Buchloe. 

 

 

Der 5te Saisonlauf der Tourenwagen Europameisterschaft 1973 ist der Langenstreckenklassiker 24 Stunden von Spa. Doch dieser Lauf wird einer der schmerzhaftesten in der Motorsporthistorie der Firma ALPINA: Das deutsche Top Talent Hans Peter Joisten kommt in der Nacht in Führung liegend in der Malmedy Kurve ins Schleudern, kracht in die Leitplanke und kommt unglücklicher Weise mitten auf der Strecke zum Stehen. Roger Dubos im Alfa, den Joisten gerade überholt hatte kann nicht mehr bremsen und fährt frontal in der quer zur Fahrbahn stehenden Joisten. Bei dem Unfall kommen beide Fahrer ums Leben. Das zweite ALPINA Coupé wird sofort aus dem Rennen genommen. Der Sieg von Toine Hezemans und Dieter Quester im Werks CSL wird zur Nebensache. 

In Zandvoort geht ein weiterer Formel 1 Star für ALPINA an den Start: Aufgrund eines Handgelenkbruchs von Niki Lauda gibt James Hunt ein Gastspiel im Jägermeister ALPINA. Da noch kein zweites, neues Renncoupé in der Kürze der Zeit aufgebaut werden konnte, fuhren die Stars diesmal in einem zweiten CSL Coupe welches regelmäßig von ALPINA für Malcom Gartlan Racing aus Großbritannien vorbereitet wurde. Ein wie außer Rand und Band fahrender Hunt sichert dem ALPINA Team den zweiten Platz im Rennen und kann so wichtige Punkte im Meisterschaftsklassement einfahren. 

Beim vorletzten Lauf in Paul Ricard war klar, dass die BMW Coupés den Capris klar überlegen waren. ALPINA setzte ein frisch aufgebautes 3.0 CSL Coupé ein und ging wieder mit zwei Fahrzeugen ins Rennen. Diesmal startete mit Jacky Ickx ein weiterer F1-Fahrer für Bovensiepen. Nach dem überzeugenden Auftritt von James Hunt auch eine Traumbesetzung für das 6 Stunden Rennen in Südfrankreich. Der Lauf endete überaus erfolgreich für BMW: Die ersten vier Plätze gehen nach Bayern – Platz 1 und Platz 3 nach München – Platz 2 und Platz 4 nach Buchloe. BMW kann seinen Vorsprung in der Gesamtwertung komfortabel ausbauen.

Die RAC Tourist Trophy im altehrwürdigen Silverstone bietet schließlich dann die Bühne für den Showdown um die Entscheidung der Meisterschaft im Jahre 1973. Wieder in voller Mannstärke vor Ort: Die Werksteams von Ford und BMW – auch ALPINA setzt wie gewohnt zwei CSLs ein. Bovensiepen verpflichtet Harald Ertl und Derek Bell - auf dem britischen CSL sitzt Brian Muir. Harald Ertl fährt den Anfangsstint, übergibt an Bell – dessen Vorsprung auf Dieter Quester nach einem längeren Boxenstopp und zwei Fahrfehlen immer mehr schmilzt. Kurz vor Schluss musste der führende Werks-BMW noch einen kurzen Boxenstopp zum Nachtanken, einen sogenannten „Splash and Dash“ einlegen. Der ALPINA, von Bovensiepen auf Sparsamkeit getrimmt, konnte darauf verzichten, Resultat: Sieg für ALPINA!

Mit insgesamt zwei Siegen, vier zweiten Plätzen und einem dritten Platz geht eine sehr erfolgreiche Saison zu Ende. In der Fahrerwertung kann sich Toine Hezemans die Krone aufsetzen. Im Herstellerranking gewinnt BMW – durch tatkräftige Hilfe von ALPINA. Der Endstand nach Punkten: BMW 120, Ford 97. Bleibt noch zu erwähnen, dass ALPINA alleine 100 Punkte gesammelt hat und damit auch ohne Werksmannschaft aus München die Fords in die Schranken gewiesen hätte. Was für ein Auftritt!